Ausnahmezustand
Petra Roth

Petra Roth
Petra Roth mit dem Schnapswagen beim Zampern in Klein Schauen (Foto: Andreas Batke)
Ausnahmezustand
Zampern in der Lausitz
Der Hälfte der Landkreisbewohner muss das Zampern erklärt werden. Südlich der A12 wird gezampert, der Norden ist zu bedauern. Der Fastnachtsbrauch mit wendisch-sorbischem Ursprung leitet das Winterende ein und wird heute vornehmlich auf dem Dorf im zeitigen Frühjahr gefeiert. Von einer Blaskapelle begleitet, zieht die Zampergesellschaft verkleidet von Haus zu Haus. Wer besucht wird, bewirtet seine Gäste, spendet Geld, Alkoholisches, oft auch Eier und Speck. Eingesammeltes landete früher in einer Kiepe auf dem Rücken eines Mannes in Frauenkleidern, heute im mitgeführten Handwagen. Die Herumgeher bedanken sich mit einem Tanz und einem Schnäpschen. Die durchfahrenden Autos werden zum Anhalten bewegt und ihre Fahrer um Wegzoll gebeten. Mit dem Geld wird die Kapelle bezahlt, die Lebensmittel bereitet man später beim »Eierkuchenball« zu. Einst zog ein Bär als Winter- und ein Storch als Sommersymbol mit. Der Strohbär, ein mit Erbsenstroh umwickelter Mann, begleitete die Gemeinschaft an einer Kette und sollte Schrecken verbreiten. Aber die Zahl der hier brütenden Störche sinkt. Und wo Erbsenstroh hernehmen? Viele empfinden das Zampern als Jahreshöhepunkt. Lang gepflegte Abneigungen liegen dann auf Eis. Ein Tag Leben in einer Tauschgesellschaft, fast ohne Geld, fröhliche Stimmung bis in jede Ecke des Dorfes, die Rückeroberung der Straße durch Fußvolk, eine fünfte Jahreszeit dicht am menschlichen Grundbedürfnis nach Nähe. Der Kulturstern Zampern sinkt leider vielerorts. Hoffen wir das Beste.
Hier wird für den Eierkuchenball gesammelt.
Der Zamperwagen

Der Zamperwagen
Kinderwagen zum Zampern, gefüllt mit Schnapsflaschen, 1980er-Jahre (Foto: Armin Herrmann)
Kiepe

Kiepe
Kiepe, Hersteller und Ort unbekannt, um 1900 (Foto: Armin Herrmann)
Lausitz

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Kartenansicht Auf dem Weg zum nächsten Haus tanzen die Bugker Zamperer die Annemarie-Polka. (Foto: Andreas Batke)