
Oder-Spree
Im Landkreis Oder-Spree leben rund 180.000 Menschen – das sind etwa sieben Prozent der brandenburgischen Bevölkerung.
Entstanden ist er 1993 im Zuge einer Verwaltungsreform. Wie veränderbar Grenzziehungen sind, verrät ein Blick in historische Landkarten. Der Norden um Fürstenwalde gehörte zum Bistum Lebus. Die Herrschaft Beeskow-Storkow war – ehe sie 1575 brandenburgisch wurde – Teil der Niederlausitz. Wie der ganze Süden des Landkreises. Dort wurde noch im 19. Jahrhundert Sorbisch gesprochen. Wer zampert, pflegt eine sorbische Tradition.
Suchen Sie unberührte Natur? Eher finden Sie Braunkohle. Diese liegt hier seit mindestens fünf Millionen Jahren und wurde in Brieskow-Finkenheerd und in den Rauener Bergen abgebaut. Letztere sind eine Stauchmoräne der Saaleeiszeit vor 300.000 Jahren. In der Weichseleiszeit vor etwa 18.000 Jahren entstanden unter den mächtigen Gletschern Rinnen, in denen Schmelzwasser abfloss. Wer im Scharmützelsee schwimmt, badet in einer solchen eiszeitlichen Rinne. Die erste Wasserstraße, die Oder und Spree verband – der Friedrich-Wilhelm-Kanal –, entstand 1668.
Noch heute ist der größte Teil des Landkreises bewaldet. Ein Drittel seiner Fläche wird landwirtschaftlich genutzt. Dennoch gibt es mit insgesamt 43 Naturschutzgebieten vergleichsweise viele Refugien für bedrohte Tier und Pfanzenarten.
Die Landschaft an Oder und Spree ist geprägt vom Kommen und Gehen. Menschen wählen sich den Landkreis als Wohnort – wie die Politikerin Regine Hildebrandt. Andere suchen hier als Gäste Erholung – wie schon der Schriftsteller Maxim Gorki. Wieder andere sind hier geboren und machen sich auf, die Welt zu entdecken – wie der Australienforscher Ludwig Leichhardt.
Insgesamt ist die Region ländlich geprägt. Und doch spiegeln sich hier vielfältige kulturelle Einflüsse. Wer allein die Baukultur betrachtet, entdeckt Erstaunliches: Die Gestalt der Klosterkirche in Neuzelle orientiert sich am böhmischen Barock. Die sozialistische Idealstadt Eisenhüttenstadt entstand nach sowjetischem Vorbild. Der Dom von Fürstenwalde war die wichtigste Kirche des Bistums Lebus, welches polnische Fürsten gegründet hatten. Der Architekt des Schlosses in Groß Rietz wiederum war ein Niederländer.
Es lohnt sich jedoch, nicht nur Schlösser und Kirchen, sondern auch Bushaltestellen, Feuerwehrhäuser und Tankstellen sorgfältig zu betrachten. Auf Aushängen steht dort zum Beispiel zu lesen, dass jemand lebendes Geflügel anbietet, welche Waldbrandstufe herrscht oder welches Fest als nächstes gefeiert wird. Kultur im ländlichen Räumen ist Alltagskultur. Es ist das Wissen, das es braucht, um in einer Region gemeinsam zu leben. Dazu gehörte einst die Fertigkeit, aus Feldstein, Stroh, Lehm und Holz ein Haus zu bauen. Oder ein Schwein zu schlachten. Heute zählt dazu die Kunst, in einem kleinen Dorf die Freiwillige Feuerwehr am Leben zu halten.