Neues Miteinander an altem Ort

Neuendorf im Sande

Wandergesellen bauen unter den Dachstuhl des Bullenstalls.

Neuendorf im Sande

Kartenansicht Im Sommer 2019 waren etwa 100 frei reisende Wandergesellen in Neuendorf und bauten unter anderem den Dachstuhl des Bullenstalls. (Foto: Andreas Batke)

Neues Miteinander an altem Ort

Das Landgut Neuendorf im Sande

1932 wurde das Landgut Neuendorf im Sande gegründet, als Arbeiterkolonie und Ausbildungsstätte für jüdische Jugendliche, die in diesem sogenannten Hachschara-Lager eine handwerkliche und landwirtschaftliche Ausbildung absolvierten, um eines der begehrten Ausreisezertifikate – beispielsweise für Palästina oder Argentinien – zu erhalten. 1941 funktionierten die Nationalsozialisten die Kolonie zu einem Zwangsarbeiter- und Sammellager für Deportationen um. Zu DDR-Zeiten wurde aus dem Land- ein Volksgut. 2018 erwarb das Projekt »Zusammen in Neuendorf« (ZuSaNe) das Areal von der »Bundesanstalt für Immobilienaufgaben« (BimA). Auch der Geschichtsverein »Geschichte hat Zukunft – Neuendorf im Sande« wurde in diesem Zuge gegründet. Seitdem bewirtschaften die Neu-Neuendorfer die Äcker in Form einer solidarischen Landwirtschaft. Menschen aus der Region können Ernteanteile abonnieren und auch selbst in der Gärtnerei oder auf dem Acker tätig werden. Die Trennung zwischen Produzent und Konsument soll auf diese Weise durchbrochen werden, der Ertrag in der Region bleiben. In der alten Schmiede des Pferdestalls hat der Zweiradmechatroniker Ansgar Ammermann seine Werkstatt eingerichtet. An einem so geschichtsträchtigen Ort, an dem noch viele Originalbauten stehen, die von den Träumen der Auswanderer und den Tränen der Zwangsarbeiter erzählen könnten, in diesem Ambiente wollte er mit anderen Menschen tätig werden, um etwas Neues zu schaffen.

Zusammen in Neuendorf.

Gedenktafel

Eine Gedenktafel von 1988 erinnert an die Vergangenheit des Gutes als Hachschara- und später Zwangsarbeiter- und Sammellager.

Gedenktafel

Kartenansicht Diese Gedenktafel von 1988 erinnert an die Vergangenheit des Gutes als Hachschara- und später Zwangsarbeiter- und Sammellager. (Foto: Andreas Batke)

Bauernfamilie aus Leidenschaft

Familie Schulze

Die Familie Schulze betreibt in Görzig seit mehreren Generationen Landwirtschaft

Familie Schulze

Die Familie Schulze betreibt in Görzig seit mehreren Generationen Landwirtschaft. (Foto: Andreas Batke)

Bauernfamilie aus Leidenschaft

Wiedereinrichter in Görzig

Es riecht nach Landwirtschaft. Der typische »Duft« kommt aus dem Kuhstall. An die 100 Milchkühe und 100 Jungrinder fressen dort vor sich hin. Lothar und Gisela Schulze haben es möglich gemacht, dass ihre Wirtschaft heute wieder in Familienhand ist. Lothar Schulzes Vorfahren hatte es kurz vor Kriegsende in die Beeskower Ecke verschlagen, »von über der Oder«. In Görzig bot sich ihnen die Gelegenheit, einen Hof und Land zu pachten und später zu kaufen. Dann aber wurde Görzig Anfang der 1960er-Jahre vollgenossenschaftlich und Schulzes Hof Bestandteil der LPG, zuerst im »Typ 1», wo nur die Feldwirtschaft genossenschaftlich betrieben wurde, später dann im »Typ 3«, in dem man alles gemeinschaftlich bewirtschaftete. Aus privatem Eigentum wurde genossenschaftliches Eigentum. Bis mit der politischen Wende 1989 die Marktwirtschaft kam. Lothar und Gisela Schulze entschieden sich für die Selbstständigkeit, bekamen das einst in die LPG »eingezahlte« Inventar in Form von Technik und ihr Land zurück, setzten auf Ackerbau, Jungviehaufzucht und Milchproduktion. Im Kuhstall befindet sich auch eine Milchtankstelle zum Selberzapfen. »Viele Menschen wissen heute gar nicht mehr, wie unbehandelte Milch schmeckt«, sagt Schulzes Sohn Matthias, der heute das Sagen auf dem Hof hat. Er und seine Frau Sylvi, eine Tierärztin, wünschen sich, dass die Menschen den Wert der Lebensmittel wieder schätzen und auch bereit sind, einen realistischen Preis zu bezahlen.

Viele Menschen wissen heute gar nicht mehr, wie unbehandelte Milch schmeckt.

Görzig

Blick in den Kuhstall der Familie Schulze in Görzig

Görzig

Kartenansicht Blick in den Kuhstall der Familie Schulze in Görzig (Foto: Andreas Batke)

Plötzlich Marktwirtschaft

Matthias Fleischhauer

Matthias Fleischhauer vor seinem jetzigen Arbeitgeber, der BE Maschinenmesser GmbH & Co. KG in Spreenhagen

Matthias Fleischhauer

Matthias Fleischhauer vor seinem jetzigen Arbeitgeber, der BE Maschinenmesser GmbH & Co. KG in Spreenhagen (Foto: Andreas Batke)

Plötzlich Marktwirtschaft

Pneumant in Fürstenwalde

Seit 1968 formierte sich unter dem Markennamen Pneumant ein landesweites Kombinat, dessen Stammwerk in Fürstenwalde beheimatet war. Von den im gesamten Kombinat beschäftigten 11.000 Männern und Frauen arbeiteten allein 4.000 bis 5.000 im Reifenwerk Fürstenwalde. Auch heute noch ist die nunmehr Goodyear Dunlop Tires Germany GmbH der wichtigste industrielle Arbeitgeber in der Stadt. Auch Matthias Fleischhauer gehörte einst zu den Reifenwerkern. Zwischen 1973 und 1976 wurde er zum Facharbeiter für Elastverarbeitung ausgebildet. Seine erste Station nach Armee- und Studienzeit führte ihn in ein Jugendforscherkollektiv, das an einem Industrieroboter für die Reifenherstellung arbeitete. Ab 1986 war er dann im Rationalisierungsmittelbau des Reifenwerks in Bad Saarow tätig, einem eigenen Konstruktions- und Fertigungsbereich. An den 9. November 1989 erinnert sich Fleischhauer mit gemischten Gefühlen. »Alles, was man brauchte, war auf einmal vorhanden.« Das traf nicht nur auf den privaten, sondern auch auf den industriellen Bereich zu. Am Ende war der Aufwand, der im gesamten Reifenwerk betrieben wurde, zu hoch und die Arbeitsweise an sich zu unproduktiv für die neuen Regeln der Marktwirtschaft. Betriebsteile wurden geschlossen oder abgestoßen, Beschäftigte entlassen. Von einer gänzlichen Abwicklung kann dennoch keine Rede sein, betrachtet man die Kontinuitäten des Werkes selbst und der anderweitig fortgeführten Betriebs- und Kombinatsteile.

Alles, was man brauchte, war auf einmal vorhanden.

Pneumant

Der ausgebildete Maschinenbauingenieur Matthias Fleischhauer bei der Härteprüfung

Pneumant

Kartenansicht Maschinenbauingenieur Matthias Fleischhauer bei der Härteprüfung (Foto: Andreas Batke)

Z wie Zukunft

Boris Schnittker

Diplom-Forstwirt Boris Schnittker mit seinem Hund im Neuzeller Forst

Boris Schnittker

Diplom-Forstwirt Boris Schnittker mit seinem Hund im Neuzeller Forst (Foto: Andreas Batke)

Z wie Zukunft

Der Forstbetrieb der Stiftung Stift Neuzelle

Als Betriebsleiter des Forstbetriebes der Stiftung Stift Neuzelle waltet Boris Schnittker über 9.115 Hektar Wald, 1.720 Hektar landwirtschaftliche und 270 Hektar Gewässerfläche. Seit 2016 bewirtschaftet die Stiftung ihre Liegenschaften in Eigenregie. Schnittker hat dafür ein ambitioniertes Forstkonzept erarbeitet, das unter anderem aufzeigt, wie man standortgerechte, klimaangepasste und stabile Mischbestände über Naturverjüngung und aktive Pflanzung begründet, den Kohlendioxid-neutralen Energieträger Holz noch stärker ins Bewusstsein rückt. 50 Prozent des Gesamterlöses der Stiftung werden durch die bewirtschafteten Forstflächen erzielt, rechnet man die Gewässer- und Landverpachtungen für landwirtschaftliche Zwecke hinzu, entfallen auf den fast zwei Drittel der Einnahmen. Vom Dienstleister für naturschutzfachliche Aufgaben über die Verpachtung landwirtschaftlicher Flächen bis zum Angebot von Waldbestattungen reicht die Palette, die der Forstbetrieb außerhalb des Holzverkaufes und der Jagd anbietet. Holz bleibt jedoch das Hauptprodukt im Betrieb. Auch mehr als 250 Hektar anerkannte Saatgutbestände kann der Forstbetrieb vorweisen. Die Schlaubetaler Traubeneiche hat er zum Markenzeichen gemacht. »Unser Wald hat noch Geheimnisse«, sagt Schnittker mit Blick auf eine gewaltige, mehr als 300-jährige Eiche. »Der Forst gehörte damals schon zu den wichtigsten wirtschaftlichen Grundlagen des Klosters. Die Waldbewirtschaftung im Bewusstsein dieser klösterlichen Tradition ist der Schlüssel zu unserem neuen Leitbild.«

Unser Wald hat noch Geheimnisse.

Neuzeller Forst

Förster und Waldarbeiter bauen im Neuzeller Forst an der Andachtsstelle im Friedwald

Neuzeller Forst

Kartenansicht Förster und Waldarbeiter bauen im Neuzeller Forst an der Andachtsstelle im Friedwald. (Foto: Andreas Batke)

Landschaft unter Schutz

Landschaft unter Schutz

Das Naturschutzgebiet »Groß Schauener Seenkette«

Die Groß Schauener Seenkette, Flachwasserseen mit großen Schilfgebieten, wurde noch bis zum Ende der DDR massiv durch Nährstoffeintrag von angrenzenden Feldern, von bis in die Wasserflächen reichenden Gänsefarmen, durch Karpfenmast sowie durch die Komplexmelioration der 1950er-Jahre stark in ihrem Wasser- und Nährstoffhaushalt verändert. Thomas Scholz, gebürtig in Storkow, träumte 1990 von den Möglichkeiten, den Naturschutz, die Landwirtschaft und beteiligte Gemeinden durch die Schaffung eines Naturparks zu vernetzen. Seine Zusammenarbeit mit dem NABU Dahmeland bildete den konzeptionellen Grundstein für den heutigen Naturpark Dahme-Heideseen. Im Februar 2000 wurde durch brandenburgische Landesverordnung das Naturschutzgebiet »Groß Schauener Seenkette« mit ca. 1.900 Hektar ausgewiesen. 2001 erwarb die Heinz Sielmann Stiftung etwa 1.000 Hektar des NSG von der bundeseigenen Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG). Im Kern des NSG bleiben Kraniche, Rohrdommeln, Bartmeisen und Otter im Sinne eines Prozessschutzes ungestört. Keine politische Maßgabe, sondern Entscheidung des Eigentümers. Allerdings: Die Schutzgebietsverordnung weist das NSG nicht als nutzungsfreies Gebiet aus. Es gibt auch keine Düngungsbeschränkungen auf dem angrenzenden Grünland oder den Äckern. Die positiven Bestandsentwicklungen beim Kranich oder Seeadler bleiben somit Leuchttürme und lassen sich nicht auf die negative Situation des Großteils der heimischen Arten übertragen.

Groß Schauen

Fischreuse in Groß Schauen

Groß Schauen

Kartenansicht Fischreuse in Groß Schauen (Foto: Andreas Batke)

Groß Schauen

Drosselrohrsänger in Groß Schauen

Groß Schauen

Kartenansicht Drosselrohrsänger in Groß Schauen (Foto: Andreas Batke)

Der Spargedanke ist ungebrochen

Liane Detert

Liane Detert leitet die Geschäftsstelle der Sparkasse Oder-Spree in Erkner

Liane Detert

Liane Detert leitet die Geschäftsstelle der Sparkasse Oder-Spree in Erkner. (Foto: Andreas Batke)

Der Spargedanke ist ungebrochen

Die Geschäftsstellen der Sparkasse in Neu Zittau und Erkner

Liane Detert lebt in Neu Zittau. Hier ist sie aufgewachsen, und hier hat sie ihre erste Sparkassenfiliale geleitet. Liane Detert begann 1989 ihre Ausbildung als Finanzkauffrau der Kreissparkasse in einem System – und beendete sie in einem anderen. Das neue Geldsystem lernte sie in der Filiale Fürstenwalde kennen. Mit dem Tag der Währungsunion – dem 1. Juli 1990 – konnten alle DDR-Bürger ihr Bargeld und ihre Spareinlagen bis zu einem bestimmten Betrag von DDR-Mark in D-Mark umtauschen. Für die Umstellung war es nötig, sein gesamtes Vermögen auf Konten einzuzahlen. »Vermögen«, sagt Liane Detert »waren eine Seltenheit. Aber jeder wollte die harte Währung D-Mark in den Händen halten.« Die Sparkasse versteht sich als Bank der kleinen Leute. Sie hat einen öffentlichen Auftrag und ein Selbstverständnis, das sie von Privatbanken unterscheidet. Sie ist verpflichtet, jedem – ob arm oder reich – ein Konto zu gewähren, für den Kunden erreichbar und ihm nah zu sein. »Der Sparwille ist ungebrochen«, sagt Liane Detert. Die Vermögen wachsen kontinuierlich, die Vermögensunterschiede auch. Auch als Filialleiterin in Erkner berät sie heute noch immer Kunden. Personalführung und Außenpräsenz sind ihr Bereich, im Sponsoring hat sie ein Mitspracherecht. Dank des Regionalprinzips hat das Sponsoring lokale verdiente Einrichtungen und Vereine im Blick. Die Sparkasse unterstützt sie, konstant über die Jahre und unabhängig von der Wirtschaftsentwicklung.

Vermögen waren eine Seltenheit.

Postsparbuch

Postsparbuch der Deutschen Post (DDR) von 1951

Postsparbuch

Postsparbuch der Deutschen Post (DDR) von 1951 (Foto: Armin Herrmann)

Sparbuch

Sparbuch der Sparkassen der Deutschen Demokratischen Republik

Sparbuch

Sparbuch der Sparkassen der Deutschen Demokratischen Republik von 1990 (Foto: Armin Herrmann)

Sparbuch innen

Sparbuch der Sparkassen der Deutschen Demokratischen Republik

Sparbuch innen

Sparbuch der Sparkassen der Deutschen Demokratischen Republik von 1990 (Foto: Armin Herrmann)

Leuchtbuchstabe

Leuchtbuchstabe »S« aus dem Schriftzug der Sparkasse

Leuchtbuchstabe

Leuchtbuchstabe »S« aus dem Schriftzug der Sparkasse (Foto: Armin Herrmann)

Sparkasse Neu Zittau

Ehemalige Sparkassenfiliale in Neu Zittau

Sparkasse Neu Zittau

Kartenansicht Ehemalige Sparkassenfiliale in Neu Zittau (Foto: Andreas Batke)

Monster oder Wunderwerk?

Gerhard Ziebarth

Naturschützer Gerhard Ziebarthvor seinem Haus

Gerhard Ziebarth

Naturschützer Gerhard Ziebarth findet, die Gigafactory hätte in die Lausitz gehört. (Foto: Andreas Batke)

Monster oder Wunderwerk?

Die Gigafactory von Grünheide

Ein 300 Hektar großes Grundstück, direkt an der Autobahn 10 zwischen den Anschlussstellen Freienbrink und Erkner, hat der US-amerikanische Elektroauto-Hersteller Tesla dem Land Brandenburg für rund 44 Millionen Euro abgekauft. Firmen-Chef Elon Musk lässt dort seine erste europäische Gigafactory für Tesla-Fahrzeuge errichten. Rund eine halbe Million Elektro-Autos jährlich sollen in der ersten Ausbaustufe produziert werden. Uneingeschränkt an die positiven Effekte glaubt Grünheides Bürgermeister Arne Christiani. Eine zusätzliche Autobahnabfahrt, dazu die deutliche Taktverdichtung des Regionalexpress-Halts in Fangschleuse, vielleicht sogar ein neuer Bahnhof. Um die für den Bau des Werkes gefällten Kiefern trauert er nicht: »Wir haben hier eine durch einen rechtskräftigen Bebauungsplan aus dem Landschaftsschutzgebiet entlassene Fläche von Wirtschaftswald.« Der Erkneraner Gerhard Ziebarth von der Interessengemeinschaft Löcknitztal hingegen befürchtet zum Beispiel ein Absinken des Grundwasserspiegels in der Region. Und ihn ärgert das Tempo der Genehmigungsverfahren: »Andere Unternehmen werden sich daran ein Beispiel nehmen«, sagt er, »für den Naturschutz wird es so aber schwerer.« Sascha Gehm, Vize-Landrat in Oder-Spree, sieht Tesla als Gewinn für die Region. »Wir haben schon eine ganze Generation der heute um die 30-Jährigen verloren«, sagt er, »die fehlen heute der Feuerwehr und den Vereinen.« Dazu erhalte der Landkreis eine Industrie, die komplett auf Zukunft gepolt sei.

Wir haben schon eine ganze Generation der heute um die 30-Jährigen verloren.

Tellereisen

Tellereisen zum Fangen von Wild aus dem 19. Jahrhundert

Tellereisen

Tellereisen zum Fangen von Wild aus dem 19. Jahrhundert (Foto: Armin Herrmann)

Lebendfalle

Lebendfalle für Amphibien und Reptilien

Lebendfalle

Lebendfalle für Amphibien und Reptilien (Foto: Armin Herrmann)

Tesla

Kahlschlag an der Autobahn: Für TESLA wurde eine Fläche von 90 Hektar Kiefernwald gerodet

Tesla

Kartenansicht Kahlschlag an der Autobahn: Für TESLA wurde eine Fläche von 90 Hektar Kiefernwald gerodet. (Foto: Andreas Batke)

»Menschen sind Ufergucker«

Ray und Editha Höpfner

Ray und Editha Höpfner stehen auf einer Wiese

Ray und Editha Höpfner

Ray und Editha Höpfner kämpfen dafür, dass die Ufer der Spree niemandem exklusiv, sondern wieder allen gehören. (Foto: Andreas Batke)

Die gesamte Geschichte zum Nachhören:

»Menschen sind Ufergucker«

Die blauen Kreuze von Trebatsch

Das Ufer der Spree in Trebatsch hat sich verändert. Noch in jüngster Vergangenheit konnte man in Trebatsch auf dem alten Treidelweg ungehindert dem Fluss folgen. Seit Jahrhunderten war dieser Pfad von keiner Absperrung durchschnitten und Gemeindeland. Diese lange Geschichte endete vor etwa 20 Jahren, als im Ort neue Häuser gebaut wurden, auf Grundstücken, die sich zur Spree öffneten. Kaum waren die Eigenheime fertig, waren Hecken gepflanzt und Zäune gesetzt, die bis ans Wasser reichten. Das war das Ende der Uferfreiheit in Trebatsch – und der Anfang von Ray Höpfners Initiative. Mit seiner Mutter Editha Höpfner gründete er »Ufer frei«, eine Bürgerbewegung, die dafür kämpft, dass die Ufer der Spree niemandem exklusiv, sondern wieder allen gehören. Seit Jahren zimmert der Trebatscher große Andreaskreuze, malt sie blau an und verteilt sie an Menschen, die sein Anliegen unterstützen. Man sieht diese Kreuze inzwischen rund um den Schwielochsee und bis Beeskow stehen. Inzwischen hat Höpfner sich einem Netzwerk angeschlossen, das von Trebatsch über Potsdam und Lychen bis an die Nordsee reicht. Überall dort legt man die Finger auf die Paragrafen und verweist unter anderem auf das Bundesnaturschutzgesetz, nach dem sich jeder in deutschen Wäldern und Fluren frei bewegen kann. »Der freie Zugang zum Wasser«, betont Höpfner, sei ein »Sinnbild für eine aufgeklärte Gesellschaft«. So liest man das auf einem seiner Flugblätter. Und noch etwas steht darauf: »Menschen sind Ufergucker«.

Der freie Zugang zum Wasser ist Sinnbild für eine aufgeklärte Gesellschaft.

Blaues X

Blaues X mit Aufschrift »Ufer frei«

Blaues X

selbstgebautes blaues X mit Aufschrift »Ufer frei« (Foto: Armin Herrmann)

Reisig-Bündel

Reisig-Bündel

Reisig-Bündel

Reisig-Bündel (Foto: Armin Herrmann)

Trebatsch

An der Spree

Trebatsch

Kartenansicht Blick auf die Spree (Foto: Andreas Batke)

Made in Eisenhüttenstadt

Professor Karl Döring

Karl Döring vor einem Bürogebäude auf dem EKO-Werksgelände

Professor Karl Döring

Karl Döring vor einem Bürogebäude auf dem EKO-Werksgelände (Foto: Andreas Batke)

Made in Eisenhüttenstadt

Das EKO und die Wende

»EKO ist ein Kind der DDR«, sagt Karl Döring. »Das haben wir uns selber aufgebaut.« 1985 hat er das Eisenhüttenkombinat Ost (EKO) als Generaldirektor übernommen, war bis 1995 Vorstand der EKO Stahl AG, danach bis 2000 Geschäftsführer Technik in der EKO Stahl GmbH des Cockerill-Sambre-Konzerns. Stadt und Werk, das gehört in Eisenhüttenstadt zusammen. Beide feierten 2020 ihren 70. Geburtstag. Anders als viele andere Kombinate der DDR, hat das EKO den Übergang von der Plan- in die Marktwirtschaft überlebt. »Wir wollten nicht einfach von der Treuhand verkauft werden. Wir wollten mit unseren eigenen Konzepten in die Marktwirtschaft«, sagt Döring. Bei der 1990 gegründeten EKO Stahl AG zogen alle an einem Strang. Die Konzernleitung, der Betriebsrat, die Mitarbeiter. Ihnen allen ist zu verdanken, dass das Werk, das heute zum Konzern ArcelorMittal gehört, lebt. »Im Jahr der Wende«, sagt Döring, »waren wir das modernste Stahlwerk in ganz Deutschland«. In Sachen Produktivität aber lag Eisenhüttenstadt hinter den Stahlwerken im Westen zurück. Fast fünf Jahre lang wurde um das EKO gerungen. Zwischenzeitlich stand sogar eine Zerschlagung des Werkes zur Debatte. Doch da gingen die Kumpel, die loyal zur Geschäftsführung waren, auf die Straße. Die Rettung kam aus Belgien. 1994 übernahm der Staatskonzern Cockerill-Sambre die EKO Stahl AG. Zuvor hatte Döring die Belegschaft von 12.000 auf 3.000 Mitarbeiter verringern müssen. Was er sich für Stadt und Werk wünscht? »Dass beide begreifen, dass sie sich brauchen.«

Im Jahr der Wende waren wir das modernste Stahlwerk in ganz Deutschland.

Hochöfner-Skulptur

»Hochöfner«, Skulptur von Herbert Burschik (1922-1990), Studie zum »Stahlwerker«

Hochöfner-Skulptur

»Hochöfner«, Skulptur von Herbert Burschik (1922-1990), Studie zum »Stahlwerker« (Foto: Armin Herrmann)

Flugblatt

Vorderseite des Flugblattes »Auf ein Wort, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!«

Flugblatt

Vorderseite des Flugblattes »Auf ein Wort, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!« (Foto: Armin Herrmann)

Flugblatt

Rückseite des Flugblattes »Auf ein Wort, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!«

Flugblatt

Rückseite des Flugblattes »Auf ein Wort, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger!« (Foto: Armin Herrmann)

EKO Eisenhüttenstadt

Blick auf den weiträumigen Busbahnhof am EKO und eine Stele zum Stahlwerk (r.)

EKO Eisenhüttenstadt

Kartenansicht Blick auf den weiträumigen Busbahnhof am EKO und eine Stele zum Stahlwerk (r.) (Foto: Andreas Batke)

»Die Narbe der deutschen Einheit«

Ulla Walter

Künstlerin Ulla Walter in ihrem Schöneicher Atelier

Ulla Walter

Künstlerin Ulla Walter in ihrem Schöneicher Atelier (Foto: Andreas Batke)

»Die Narbe der deutschen Einheit«

Der Heidehof in Schöneiche

Als Ulla Walter 1982 den »Heidehof« in Schöneiche für sich entdeckt, ist er eine Abrissruine. Dass die einstige Gaststätte ausbaufähig ist, davon kann die Künstlerin die zuständigen Stellen schnell überzeugen. Kaufen allerdings darf sie sie vorerst nicht. Stattdessen bietet man ihr einen unbegrenzten Nutzungsvertrag an – für 99 Jahre. Ein gigantischer Um- und Ausbau beginnt; der »Heidehof« wird nicht nur Wohn- und Atelierraum, sondern Sammelpunkt für die alternative Szene, Veranstaltungsort für Lesungen, Konzerte und Ausstellungen der von Walter mitgegründeten Gruppe INSTABIL. Als die Wende kommt, kann die Künstlerin ihn endlich kaufen. Jedoch: Die ehemalige Besitzerin, die 1957 nach Westdeutschland ausgereist ist, steht noch im Grundbuch. Jetzt erhebt sie Ansprüche auf Haus und Land. Ihre Grundlage: das Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen, das all jenen helfen soll, die im Osten enteignet oder zum Verkauf ihrer Immobilie genötigt worden sind. Insgesamt mehr als 815.000 Anträge werden in den neuen Bundesländern im Rahmen dieses Gesetzes gestellt. Für Ulla Walter endet der kräftezehrende und unschöne Kampf um ihren Hof mit einem gerichtlichen Vergleich. Ihr Haus und 1.300 Quadratmeter – von 2.800, die sie bezahlt hat – darf sie behalten. Den Kaufpreis dafür zurück bekommt sie nicht. Hätten sie und die ehemalige Besitzerin sich gleich und ohne Anwälte an einen Tisch gesetzt, glaubt die Künstlerin, wäre die Sache zwischen ihnen niemals so hochgekocht.

Ich fühlte mich wie in die Abenteuer dieser Ruine hineingeboren.
Die gesamte Geschichte zum Nachhören:

Postkarte

Postkarte »Gasthof zur Kanone Paul Bähle an der Kersdorfer Schleuse« von 1938

Postkarte

Postkarte »Gasthof zur Kanone Paul Bähle an der Kersdorfer Schleuse« von 1938 (Foto: Armin Herrmann)

Ansichtskarte

Postkarte Bad Saarow - »HO-Gaststätte Pechhütte« Bad Saarow-Pieskow

Ansichtskarte

Postkarte Bad Saarow – »HO-Gaststätte Pechhütte« Bad Saarow-Pieskow 1982 (Foto: Armin Herrmann)

Modell

Modell »Kulturinsel Heidehof« von Dipl.-Ing. Wilhelm von Wolff und Dipl.-Ing. Heike Iffert

Modell

Modell »Kulturinsel Heidehof« von Dipl.-Ing. Wilhelm von Wolff und Dipl.-Ing. Heike Iffert (Foto: Armin Herrmann)

Heidehof Schöneiche

Blick auf den «Heidehof» der Künstlerin Ulla Walter

Heidehof Schöneiche

Kartenansicht Blick auf den »Heidehof« der Künstlerin Ulla Walter (Foto: Andreas Batke)