Die Herrin der Ringe

Yvonne Siedschlag und Katharina Illig

Yvonne Siedschlag und Katharina Illig

Yvonne Siedschlag und Katharina Illig

Yvonne Siedschlag (M.) und Katharina Illig sind mit schwerem Gerät im Einsatz. (Foto: Andreas Batke)

Die Herrin der Ringe

Ein Auge auf den Weißstorch

Yvonne Siedschlag ist ehrenamtliche Vogelberingerin. Seit drei Jahren überwacht und erfasst sie den Weißstorchbestand im Altkreis Luckau. Übernommen hat die Förstertochter das Ehrenamt von der 78-jährigen Katharina Illig. »Beringerin bin ich seit 1973«, erzählt diese, »und mit den Störchen fing das erst 1986 an.« Storch, Kranich, Kuckuck und viele weitere: Sie alle gehören zu den 100 Millionen Zugvögeln, die jeden Herbst oder früher ihre Brutgebiete in Deutschland verlassen und Richtung Süden ziehen. Vögel kennen dabei keine Grenzen und nisten sowohl im Landkreis Dahme-Spreewald als auch in Oder-Spree. Das Gebiet der beiden Ornithologinnen erstreckt sich über 703 Quadratkilometer im Altkreis Luckau bis ins Städtchen Dahme und in Sonderfällen auch in den Landkreis Oder-Spree. Das wichtigste Mittel zur Erfassung und Überwachung von Zugvögeln ist die Beringung. »Das ist der Personalausweis für den Vogel«, betont Katharina Illig. Bei der Größe ihres Gebietes sind die beiden Beringerinnen auf die Hilfe der Menschen aus den Dörfern angewiesen. Sie informieren die Ornithologinnen bei Veränderungen und Problemen. Im März und April zum Beispiel kommen die Störche hier an, bauen ihre Nester, brüten und bleiben bis Ende August, bevor es dann wieder Richtung Süden geht. Yvonne Siedschlag weiß, dass »auch bei den Störchen mittlerweile ein, zwei das ganze Jahr hierbleiben«. Katharina Illig ergänzt: »Das ist natürlich energiesparend, wenn hier kein Schnee mehr liegt und sie Futter finden. Warum sollten sie wegfliegen?« Schuld daran, dass die Störche früher kommen und teilweise ganzjährig bleiben, ist der Klimawandel. Da sind sich die beiden einig.

Der Ring ist der Personalausweis für den Vogel.

Luckau

Beringerin Katharina Illig

Luckau

Kartenansicht Katharina Illig ist seit 1973 Beringerin. (Foto: Andreas Batke)

Junge Störche

Junge Störche

Junge Störche

Junge Störche in einer Kiste: Die Vögel stellen sich tot, wenn Menschen in ihre Nähe kommen. (Foto: Andreas Batke)

»Weißstorch« Präparat

Präparat »Weißstorch (Ciconia ciconia)«

»Weißstorch« Präparat

Präparat »Weißstorch (Ciconia ciconia)« (Foto: René Arnold)

Beringung und Beringungszange

Beringung XOT99 (Hiddensee) (Foto: René Arnold)

Beringung und Beringungszange

Beringung XOT99 (Hiddensee) seit 2021 und Beringungszange 03042 2-Loch (Foto: René Arnold)

Alte Beringung CA018428

Alte Beringung CA018428

Alte Beringung CA018428

Beringung vor 1990 (Foto: René Arnold)

Wenn in der Ferne etwas fehlt

Nadine und Enrico Mraß

Nadine und Enrico Mraß

Nadine und Enrico Mraß

Nadine und Enrico Mraß fühlen sich in der alten Heimat wieder zuhause. (Foto: Andreas Batke)

Wenn in der Ferne etwas fehlt

Einmal um die Welt zum Dämeritzsee

Von Berlin-Hellersdorf nach Erkner sind es schlappe 30 Kilometer. Nadine und Enrico Mraß haben jedoch einen Umweg um die halbe Welt genommen. Zwischen ihrem Kennenlernen in der Plattenbausiedlung und dem Einzug in ihr Haus nahe dem Dämeritzsee liegen nicht nur 19 Jahre, sondern ein halbes Dutzend Ortswechsel. Der größte: Eine Dienstreise führte Enrico im Sommer 2017 für einen Monat ins Silicon Valley (USA). Der Arbeitsalltag, das Team, die Lebensweise, das Klima – all das hatte ihn so stark berührt, dass er auf dem Rückflug dachte: »Warum nicht dort leben?« Die folgenden Jahre sind zweifelsohne etwas Besonderes für die Mraßens geworden. Vieles war so anders. »Für eine Party, einen Ausflug musste uns wegen des Wetters nicht bange sein. Es war immer schön, einfach genial«, sagt Nadine. Öffnungszeiten in Supermärkten beachten? Immer hat etwas geöffnet. Zudem die Freundlichkeit und die Aufgeschlossenheit der Menschen. Zum Problem wurde die Corona-Pandemie. Zwei Todesfälle in der Familie und keine Möglichkeit des unmittelbaren Abschieds haben beiden emotional zugesetzt. Zudem war Sohn Leo 2020 geboren, die Groß- und Urgroßeltern konnten ihn nicht leibhaftig erleben. »Wir fühlten uns wie Gefangene. Die Freiheit, die Leichtigkeit waren weg.« Im August 2021 zog die Mraßens wieder nach Deutschland. Seit Mai 2023 ist die inzwischen vierköpfige Familie – Haley kam im Juni 2022 zur Welt – nun am Dämeritzsee zu Hause. Bis zu den Großmüttern und Urgroßmüttern sind es 30 Minuten. Freunde, Geschwister, sie alle kommen zu Besuch. »Es ist so schön, dass das nun geht«, sagt Nadine.

Wir haben gemerkt, was uns wichtig ist.

Erkner

Dämeritzsee Erkner

Erkner

Kartenansicht Blick auf den Dämeritzsee in Erkner (Foto: Andreas Batke)

Erinnerungsfoto

Erinnerungsfoto Nadine Mraß

Erinnerungsfoto

Nicht nur Fotos erinnern das Paar an seine Zeit in den USA. (Foto: Andreas Batke)

Trikot SF 49er

Trikot (Foto: René Arnold)

Trikot SF 49er

Trikot der San Francisco 49er (Foto: René Arnold)

Prospekt HAPAG

Prospekt der Hamburg-Amerika Linie von HAPAG

Prospekt HAPAG

Prospekt der Hamburg-Amerika Linie von HAPAG (Foto: René Arnold)

Angekommen

Katharina Maleschka

Katharina Maleschka

Katharina Maleschka

Katharina Maleschka in der Erich-Weinert-Allee in Eisenhüttenstadt an der Plastik »Erdkugel« von Axel & Cornelia Schulze (Foto: Andreas Batke)

Angekommen

Zum Studium nach Berlin

Bis zu ihrem Studium lebt Katharina Maleschka mit ihrem Bruder Martin und ihren Eltern in Eisenhüttenstadt. Sie träumt davon, Zahnärztin zu werden. Dafür geht sie nach Berlin. »Genau das ist das Problem hier in Eisenhüttenstadt«, erklärt ihr Bruder Martin. »Nach der Schule muss man weggehen, es gibt kaum Perspektiven auf eine Berufsausbildung und keine Studienmöglichkeiten. Die Meisten kommen dann nicht wieder.« Die Annonce des norwegischen Arbeitsamtes, dass Zahnärzte im öffentlichen Gesundheitssystem gesucht werden, liest Katharina 2006 im Zahnärzteblatt und entscheidet sich, ihre zweijährige Assistenzzeit im mittelnorwegischen Surnadal zu verbringen. Der Umzug und der Sprachkurs werden vom öffentlichen Zahngesundheitsdienst bezahlt, daran geknüpft ist die Bedingung, zwei Jahre am gewählten Ort zu bleiben. Das norwegische Gesundheitssystem beschreibt Katharina als sozial gerecht und ressourcenschonend. Es gibt nur eine staatliche Krankenversicherung, Beiträge dazu werden von den Steuern abgezogen. Ungefähr drei Wochen nach ihrer Ankunft in Norwegen lernt Katharina ihren Mann Jarle kennen und zieht mit ihm nach Oslo. »Ich fand Skandinavien schon immer interessant«, schwärmt sie. Zur Jugendweihe habe sie sich eine Reise nach Norwegen zum Nordkap gewünscht und bekommen. Heute sieht sich Familie Maleschka drei- bis fünfmal im Jahr, zum Beispiel während des Sommerurlaubes von Katharina und ihrer vierköpfigen Familie. Zurück nach Deutschland will sie auf keinen Fall! Sie ist angekommen in Norwegen – und glücklich.

Nach der Schule muss man
weggehen.

Eisenhüttenstadt

Eisenhüttenstadt

Eisenhüttenstadt

Kartenansicht Blick auf Eisenhüttenstadt – seit Katharina Maleschkas Kindheit hat sich dort viel verändert. (Foto: Andreas Batke)

Martin Maleschka

Martin Maleschka

Martin Maleschka

Martin Maleschka (r.) gibt einem Team der ARD-»Tagesthemen« ein Interview zum Thema »Zurückkommen«. (Foto: Andreas Batke)

Wie eine große Familie

Michelle Mercado-Paredes, Mae Bales Clouien, Eleazar Nofies, Kerstin Kurz, Scarlett Staudte

Michelle Mercado-Paredes, Mae Bales Clouien, Eleazar Nofies, Kerstin Kurs, Scarlett Staudte

Michelle Mercado-Paredes, Mae Bales Clouien, Eleazar Nofies, Kerstin Kurz, Scarlett Staudte

Teamarbeit: die Krankenschwestern Michelle Mercado-Paredes (v.l.) und Mae Bales Clouien, Krankenpfleger Eleazar Nofies, Pflegedienstleiterin Kerstin Kurs und Integrationsmanagerin Scarlett Staudte (Foto: Andreas Batke)

Wie eine große Familie

Neuanfang fern der Heimat

Zar Nofies arbeitet bereits mehr als acht Jahre in der MEDIAN Klinik Grünheide, Mae Bales Clouien nicht viel weniger. Die beiden studierten Krankenpfleger gehörten zu den ersten ausländischen Fachkräften, die dort angestellt wurden. Seit der Klinik-Gründung vor 30 Jahren konzentriert sich das Geschehen auf die Rehabilitation von Patienten unter anderem nach Hirnschäden durch Schlaganfälle, Blutungen oder auch Rückenmarksverletzungen. Rund die Hälfte der Beschäftigten – etwa 270 – sind direkt in der Pflege angestellt. Seit 2016 rekrutiert die MEDIAN Klinik mit Blick auf den Fachkräftemangel auch ausgebildete Kräfte im Ausland. Rund 80 solcher Pflegekräfte – vor allem von den Philippinen, aus Vietnam, China, Tunesien und Albanien – gehören zum Team. »So viele Mitarbeiter vor Ort zu kriegen, ist faktisch unmöglich«, sagt Integrationsmanagerin Scarlett Staudte. Pflegedienstleiterin Kerstin Kurz kann sich noch gut an die Anfangszeit erinnern: »Wir haben unsere Neuen immer an die Hand genommen«, sagt sie. »Wir sind eine große Familie, jeder hilft und unterstützt den anderen.« Etwa ein Dreivierteljahr, bevor die neuen Beschäftigten in Grünheide eintreffen, finden bereits digital erste Gespräche statt. Dann muss ein Visum beantragt werden. Mit dem reformierten Fachkräfteeinwanderungsgesetz sei der weitere Prozess zwar einfacher zu händeln. Dennoch gibt es eine Vielzahl an Aufgaben zu bewältigen. Die Anerkennung der Zeugnisse – auf den Philippinen studieren die Pflegekräfte im Bachelor-Studium sogar teils mit den Ärzten zusammen – zum Beispiel. Mindestens ein halbes Jahr, oft länger, dauere es, bis die Pflegefachkraft dann wirklich mit den Patienten arbeite.

Wir haben unsere Neuen immer an die Hand genommen.

Grünheide

Median Klinik Grünheide

Grünheide

Kartenansicht Blick auf die Grünheider MEDIAN Klinik (Foto: Andreas Batke)

Wechsel des Standortes als Prinzip

Tony Kynast

Berufssoldat Tony Kynast

Tony Kynast

Oberstleutnant Tony Kynast hat die Lagerleitung 2023 übernommen. (Foto: Andreas Batke)

Wechsel des Standortes als Prinzip

Neuanfang alle zwei bis vier Jahre

2015 wurde die Kaserne Schneeberg bei Beeskow der Sitz des Munitionsversorgungszentrums Ost, dem ostdeutschen Knotenpunkt für die Lagerung und Logistik von Munition an den Standorten Schneeberg, Seltz und Walsrode. Dessen Leitung übernahm im Januar 2023 Oberstleutnant Tony Kynast. Das Rotationsprinzip ist Teil der Struktur des Lebens von Berufssoldaten, da sie alle zwei bis vier Jahre den Standort wechseln sollen. Tony Kynasts Soldatenleben beginnt mit einem Studium in München, gefolgt von weiteren Qualifizierungsschritten an verschiedenen Orten in Süddeutschland. Danach hat er das Glück, als junger Offizier für insgesamt 12 Jahre im Logistikbataillon in Burg (Sachsen-Anhalt) zu dienen. Zwischen 2009 und 2020 reist Kynast fünfmal nach Masar-i Scharif in Afghanistan, um dort die Logistik im Camp Marmal zu unterstützen. Die Soldaten verbringen circa vier Monate im Auslandseinsatz, bevor sie für mindestens zwei Jahre zurück nach Deutschland gehen. In Afghanistan lebt und arbeitet Tony Kynast in einem Camp internationaler Bündnispartner. Im Kontrast dazu bewirbt er sich nach Ende seines Einsatzes in Burg für einen Posten im NATO-Stützpunkt Sigonella auf Sizilien, wo er entscheidet, in einer italienischen Ortschaft bei Catania zu leben. Im Oktober 2019 tritt Tony Kynast eine Stelle beim Planungsamt der Bundeswehr in Berlin an und kauft eine Wohnung in der Hauptstadt. Als er den Posten in Schneeberg übernimmt, beginnt für ihn somit ein Leben des Pendelns. In Oder-Spree lebt er sich langsam ein. Tony Kynast betont, er sei keiner, der nach der Arbeit in der Wohnung sitzt. »Nach und nach kommt man in das Leben rein.«

Die Struktur steht an oberster Stelle.

Schneeberg

Munitionslager Schneeberg

Schneeberg

Kartenansicht Blick in das Lager des Munitionsversorgumszentrums Ost in Schneeberg (Foto: Andreas Batke)

Schneeberg

Kaserne Schneeberg

Schneeberg

Kartenansicht Einst war die Kaserne sogar an die Bahn angebunden. Heute würden sich das die Soldaten wieder wünschen. (Foto: Andreas Batke)

Den eigenen Weg finden

Pfarrer Kevin Jessa

Pfarrer Kevin Jessa

Pfarrer Kevin Jessa

Pfarrer Kevin Jessa setzt sich für mehr Transparenz und Offenheit ein. (Foto: Andreas Batke)

Den eigenen Weg finden

Pfarrer mit Interesse für queere Themen

Als Jugendlicher hätte Kevin Jessa von diesem Beruf nicht einmal geträumt. Auf Wunsch seiner Mutter wird er getauft, Religiosität spielt sonst in der Familie eine untergeordnete Rolle. Und doch entscheidet er sich nach einem Freiwilligen Jahr in der Denkmalpflege und einem politischen Praktikum in der Landes-CDU Brandenburg für ein Studium der Evangelischen Religionspädagogik. An der Hochschule spürt Jessa das Interesse für queere Themen; sein wichtigster Professor – schwul und offen für Diversität. Jessa bekommt Rückhalt, outet sich mit 20. Eines seiner wichtigsten Themen in der Studienzeit – die Ehe für alle. Als Vikar wird er für zwei Jahre entsandt in die Evangelische Patmos-Gemeinde in Berlin-Steglitz. Er sieht das als Herausforderung. Dann soll Jessa die erste Pfarrstelle auf Probe annehmen – in Spremberg. Als offen schwuler Pfarrer undenkbar! Jessa hört von einer freien Stelle in Fürstenwalde, schlägt diese vor und darf sie antreten. Doch auch im bischöflichen Dom läuft es nicht immer rund. Zu laut, zu offen, zu divers gestaltet der Neuankömmling seine Predigten. Mittlerweile hat er seine Gemeinde kennengelernt, erfährt viel Wertschätzung. Eine Rede, die den Trauernden einen guten Weg bereitet, oder eine gute Predigt mit Gegenwartsbezug, die keinem »Dauerexamen« gleicht, machen ihn glücklich und zufrieden. Jessa betont, dass noch mehr Reformen in den nächsten Jahren anstehen. Eine davon erfreut ihn besonders: »Bei Trauungen gleichgeschlechtlicher Paare entfällt auf Beschluss des Kirchenparlaments künftig das Recht von Pfarrern, solche Gottesdienste ablehnen zu dürfen.« Kleine Erfolge, für die es sich lohnt zu kämpfen.

Es ist diverser geworden in meinen Gottesdiensten.

Fürstenwalde

Fürstenwalder Dom

Fürstenwalde

Kartenansicht Blick in den Dachstuhl des Fürstenwalder Doms (Foto: Andreas Batke)

Abendmahlgeschirr

Abendmahlgeschirr mit Kelch, Flasche, Hostienschale und Tablett (Foto: René Arnold)

Abendmahlgeschirr

Abendmahlgeschirr mit Kelch, Flasche, Hostienschale und Tablett (Foto: René Arnold)

Hebammentasche

Hebammentasche, Stethoskop und Waage aus den 1920er Jahren (Foto: René Arnold)

Hebammentasche

Hebammentasche, Stethoskop und Waage aus den 1920er Jahren (Foto: René Arnold)

Ärztehaus als Blaupause

Stanley Fuls und Annett Matuschak

Stanley Fuls und Annett Matuschak

Stanley Fuls und Annett Matuschak

Stanley Fuls hat den Praxisneubau angeschoben, Annett Matuschak später übernommen. (Foto: Andreas Batke)

Ärztehaus mit Vorbildcharakter

Landkreis baut ökologisch nachhaltige Doppelpraxis

Der Bau einer ökologisch nachhaltigen Doppelarztpraxis in Friedland ist beschlossene Sache. Und am Gelingen dieses Vorhabens haben Annett Matuschak sowie Stanley Fuls entscheidenden Anteil. Die eine als Leiterin des Amtes für Infrastruktur und Gebäudemanagement, der andere als Ideengeber und ihr Vorgänger in dieser Funktion. Nachdem mehrere Ärzte in den Ruhestand gegangen waren, bröckelt die eigentlich gute medizinische Versorgung für die Region. Die verbliebenen Mediziner sind zudem mit ihrer Raumsituation nur bedingt zufrieden. So kam die Idee auf, dass, vom Landkreis gesteuert, ein zeitgemäßes Haus für Allgemeinmediziner im ländlichen Raum errichtet wird, die dort für eine vergleichsweise günstige Miete einziehen können. Als Architekt erstellte Fuls eine Konzeptstudie für ein Ärztehaus mit zwei Praxen und plant einen schlanken Eingeschosser. Eine bedeutende Rolle als Baumaterial spielt Holz als Verkleidung für die Außenfassade. »Das Haus wird zudem aus verschiedenen, für dieses Projekt gefertigten Modulen bestehen, die aneinander koppelbar sind«, sagt Annett Matuschak. Eine »Null-Energie-Ärztepraxis« könne zwar voraussichtlich nicht verwirklicht werden, »aber das Gebäude wird in jedem Fall der sehr guten Effizienz-Haus Stufe 40 entsprechen«. So sind vier Erdwärme-Sonden vorgesehen, die die Fußbodenheizung über ein Wärmepumpensystem versorgen. Eine hohe Nachhaltigkeit wird zudem durch die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach, die Wärmedämmung aus recyceltem Altpapier und das Verwenden von heimischen Hölzern aus zertifizierter Forstwirtschaft erreicht. »Wir wünschen uns, dass wir mit dieser neuen Art von Haus auch eine Blaupause für andere Neubauten schaffen«, sagt Annett Matuschak.

Wir müssen uns in Zeiten des spürbaren Klimawandels verändern.

Friedland

Friedländer Ärztehaus

Friedland

Kartenansicht Dem jetzigen Friedländer Ärztehaus gegenüber ist ausreichend Platz für die neue Doppelpraxis. (Foto: Andreas Batke)

Von Zöpfen und Schwarten

Richard Tschuschke

Richard Tschuschke

Richard Tschuschke

»Holz muss man anfassen«: Richard Tschuschke ist Geschäftsführer der waldform GmbH in Ragow. (Foto: Andreas Batke)

Von Zöpfen und Schwarten

Der Mann fürs (Bau)Holz

Richard Tschuschke, Geschäftsführer der Waldform GmbH mit 16 Leuten, wirkt bescheiden, fast schüchtern, wenn er erzählt. Dabei könnte er bei seinem Werdegang ganz anders auftrumpfen: Im Landesbetrieb Forst Brandenburg hat er in der Oberförsterei Müllrose Forstwirt gelernt. Mit 19 Jahren macht er sich 2010 selbstständig. Seinen Traum von Unabhängigkeit als Jungunternehmer erfüllt er sich mit einem Sägegatter, einem mobilen Lohnsägewerk. Der Name Tschuschke ist in der Region ein Begriff, denn schon sein Vater fuhr damit von Kunde zu Kunde, um vor Ort Holz zu Bauholz zu schneiden. Tschuschke schafft mit seinen drei Vollerntern heute 70.000 Festmeter im Jahr im Privat- und Landeswald, 700 davon arbeitet seine Mannschaft in Ragow selber auf. Je nach Auftrag werden daraus Bretter, Dachlatten, Bohlen, Kanthölzer, Balken. Die Preise der Holz- und Baumärkte kann er locker unterbieten, die Qualität stimmt. Und wer es wissen möchte, dem sagt er auch, aus welcher Gemarkung das Holz stammt, das in Beeskow, Müllrose oder der Berliner Ecke dann verbaut wird. In Ragow, direkt an der B 87, ist gerade der neue Firmensitz der Waldform GmbH entstanden, ein Eingeschosser mit Satteldach. Gewaltige Rundhölzer tragen den Vorbau, der sich wie ein Laubengang rundum zieht. »Lärche«, sagt Tschuschke. »Das Gebäude soll ja ein wenig dafür stehen, was wir tun.« Büros, ein Sanitärtrakt, Schulungs-, Beratungs- und Aufenthaltsraum. »Der einheimische Baustoff Holz, PEFC- und FSC-zertifiziert; viel mehr geworben müsste dafür noch werden, auch von der Politik.«

Den Baum der Zukunft können wir uns nicht backen.

Ragow

Harvester

Ragow

Kartenansicht Unverzichtbar: die Arbeit mit dem Harvester, einer Holzerntemaschine, die Bäume fällt, entastet, ablängt und die Sortimente am Gassenrand ablegt (Foto: Andreas Batke)

Dielsäge

Dielsäge

Dielsäge

Dielsäge, die zu zweit bedient werden muss, von 1900 (Foto: Bernd Choritz)

Stammpresse

Stammpresse

Stammpresse

Stammpresse der Firma waldform GmbH aus Ragow (Foto: Bernd Choritz)

Bauen mit Herz und Holz

Bauspielplatz Fürstenwalde

Bauspielplatz

Bauspielplatz Fürstenwalde

Kartenansicht Auf dem Bauspielplatz kann jeder seine Ideen einbringen. (Foto: Andreas Batke)

Bauen mit Herz und Holz

Jugendarbeit auf dem Bauspielplatz

Wer das Tor zum Südclub an der Fürstenwalder Bahnhofstraße öffnet, betritt eine andere Welt. Vorbei an bunten Holzhütten und umgebauten Schubkarren mit fröhlichen Pferdeköpfen führt der Weg in eine hohe, halb offene Werkstatt, die mit den Baumkronen zu verschmelzen scheint. Dort gibt es gut sortierte Regale mit Holzstücken in jeder Größe und alle Werkzeuge, die man sich vorstellen kann: Hammer, Säge, Schnitzmesser, Schäleisen, Schraubzwingen. Es ist das Reich von Matthias Bogdan, der diesen Jugendclub-Standort aufgebaut hat und seitdem immer weiter baut – vor allem mit seinem Lieblingsmaterial Holz. Sein Fachgebiet, das ist der Spielplatz- und Spielzeugbau, aber genauso die Sozial- und Projektarbeit mit Kindern und Jugendlichen. »Ich bin ein Fan davon, mit wenig Aufwand und wenig Geld etwas zu machen«, sagt Bogdan. Und das vermittelt er auch den jungen Menschen. Etwa 60 Schülerinnen und Schüler ab acht Jahren kommen regelmäßig nach dem Unterricht in den Club. »Wir haben schnell gemerkt, dass zum Bauen zu wenig Platz ist.« Beim Anblick der Maulbeerbäume auf dem Nachbargrundstück sei ihm schließlich die Idee gekommen, dort einen Bauspielplatz einzurichten, in den die seltenen Bäume integriert werden könnten. Das Konzept ist einfach: Es gibt ein paar feste Objekte, wie die erste Bude und die Werkstatt, alles andere ist stets im Wandel. »Die Ideen zu einem Haus oder Objekt kommen von den Kindern, die Sozialarbeiter helfen dann bei der Grundkonstruktion, damit sie hält und sicher ist. Alles andere machen die Jugendlichen allein, wenn sie Lust dazu haben. Das kann schon mal ein Jahr dauern, bis alles fertig ist.«

Ich bin ein Fan davon, mit wenig Geld etwas zu machen.

Endstation Traumgehäuse

Gertrud Zucker

Gertrud Zucker

Gertrud Zucker

Illustratorin Gertrud Zucker vor ihrem Haus in Bad Saarow (Foto: Andreas Batke)

Aus der Welt ins »Traumgehäuse«

Neue Heimat am Scharmützelsee

Bad Saarow, der Ort, in dem Johannes R. Bechers »Traumgehäuse« steht, gilt seit jeher als privilegiert. Bekannt durch seine Thermalquelle, seine medizinischen Einrichtungen, die Berlinnähe und seinen Kurort-Status, ist er Anziehungspunkt für Mediziner und Architekten, Künstler und Kulturschaffende, Naturfreaks und Literaten. Die Illustratorin Gertrud Zucker kommt mit ihrem Mann Gerd nach Bad Saarow, der dort nach dem Ende seines Medizinstudiums 1959 eine Stelle antritt. Sie hadert erst mit dem Umzug. Heute sagt sie: »Hier möchte ich nie wieder weg.« Auch wenn vieles nicht mehr so ist wie früher, alles so herrschaftlich wird, fast fremd im Zentrum: Bad Saarow ist ihre Heimat. Rund 40.000 Touristen kommen jährlich und genießen das Flair des Kurortes mit seinen knapp 6.000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Die Grundstückspreise dort sind nur im Berlin nahen Raum zu toppen. Viele riechen den Braten, investieren, bauen und entwickeln. Auch Artprojekt. Doch hier, wie sie sagen, nicht nur mit dem Ziel, Geld zu machen. Die »Kurpark Kolonnaden« zum Beispiel wurden von Artprojekt als Stadtzentrum erdacht. 65 Wohnungen, Gewerbe, ein Kino, Restaurants, Läden, Galerien, Dienstleister. Der Leerstand ist gering. Auch das neue Bauprojekt »Marina Apartments« an der Westseite des Scharmützelsees erfreut sich großer Beliebtheit. Quadratmeterpreise liegen dort bei 7.000 Euro und mehr. »Die Kaufkraft ist da«, sagt Alexandra von Stosch von Artprojekt, »jedoch haben wir auch schon Interessenten abgelehnt, die nicht hierher passen. Wir wollen, dass sich der Ort gut entwickelt.«

Hier möchte ich nie wieder weg.

Bad Saarow

Kurpark Kolonaden

Bad Saarow

Kartenansicht Vor mehr als 15 Jahren hat sich Susann Fritsch in den Ort verliebt – und wohnt jetzt in den »Kurpark Kolonnaden«. (Foto: Andreas Batke)

Zierschlüssel

Zierschlüssel

Zierschlüssel

Zierschlüssel aus Eisen von 1900 (Foto: Bernd Choritz)

Werbeschild Kurpark Kolonnaden

Werbeschild Kurpark Kolonnaden

Werbeschild Kurpark Kolonnaden

Werbeschild für die Kurpark Kolonnaden der Firma Artprojekt in Bad Saarow (Foto: Bernd Choritz)