»Jetzt könnt ihr heim ins Reich«
Frieda Hülsenitz
Frieda Hülsenitz
»Jetzt könnt ihr heim ins Reich«
Erst Flucht, dann Vertreibung
Frieda Hülsenitz ist 1930 als Frieda Richter in Berloge im Kreis Crossen geboren, ein Gebiet, das bis 1945 zu Deutschland gehörte. Jetzt liegt es in Polen. Mit dem Vorrücken der Roten Armee flieht Familie Richter mit ihren fünf Kindern nach Wußwerk in den Spreewald. Als sie im Mai 1945 zurückkehrt, ist der Heimatort jedoch längst von Polen besetzt. Am 23. Juni 1945 werden alle Deutschen aus dem Dorf zur Neiße getrieben. »Jetzt könnt ihr heim ins Reich«, sagt der Soldat an der Grenze zur 15-jährigen Frieda. Irgendwann kommt die Familie in Friedland an. Ein offener Empfang bleibt ihr jedoch verwehrt. Als Flüchtlinge werden sie auch mit Argwohn betrachtet. Sarkow und Glowe bilden mit Kuhnshof die drei Gutshöfe, in denen die gesamte Berloger Dorfgemeinschaft untergebracht wird. Es erfolgt eine Aufteilung enteigneter Ländereien und Felder. Kuhnshof, wo die Richters landen, sieht man dabei als eher schlechte Zuteilung an. Wachsen kann dort nicht viel, das Essen bleibt knapp. »Ich weiß nicht, wie wir überleben konnten.« Die Schwestern Anita und Frieda müssen betteln, um für die kleinere Regina etwas Milch zu ergattern. Die Steckrüben werden bei den Bauern gestohlen. Kuhnshof ist ein Beispiel für die Bevölkerungsverschiebung, die unter Historikern heute als die größte Zwangsumsiedlung der Menschheitsgeschichte beschrieben wird. Die Zahl der vertriebenen und geflüchteten Deutschen aus den deutschen Ostgebieten nach Ende des Zweiten Weltkrieges wird auf zwölf bis 14 Millionen geschätzt.
Ich weiß nicht, wie wir überleben konnten.