Ein Stück Brandenburg gepflanzt

Pedro Chibule

Pedro Chibule

Pedro Chibule

Pedro Chibule kam 1981 nach Deutschland, um eine Ausbildung als Forstfacharbeiter zu machen. (Foto: Andreas Batke)

Ein Stück Brandenburg gepflanzt

Kiefern, so klein wie ein Daumen

In Müllrose nah am Campingplatz gibt es ein Waldstück mit hohen, gerade gewachsenen Kiefern. Pedro Chibule hat sie vor 40 Jahren gepflanzt. Damals waren sie noch klein wie ein Daumen. Im Jahr 1981 flog Pedro von Mosambik in die DDR, um vier Jahre lang als Vertragsarbeiter eine Ausbildung als Forstfacharbeiter zu machen. 41 junge Männer, alle etwa zwischen 18 und 20, kamen dazu nach Müllrose in den staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb. Das Vertragsarbeiterprogramm versprach eine Fachausbildung, um das sozialistische Mosambik, das gerade die portugiesische Kolonialherrschaft abgeschüttelt hatte, beim Aufbau zu unterstützen. Schon als er ankam, erzählt Pedro, sei er in einer Familie gelandet, weil die Unterkunft, in der sie wohnen sollten, noch nicht fertig war. Aber auch später, als alle 41 jungen Männer in die Wohnstätte eingezogen waren, waren sie oft bei Leuten zu Gast. »Manche waren wie Gastfamilien für uns. Wir waren zum Essen da, zum Grillen, zu Festen.« In Angst lebte Pedro nie. Viel wichtiger ist ihm zu erzählen, wie viel Leben damals in den Dörfern und kleinen Städten war. Als seine Zeit als Vertragsarbeiter um war, stellte man ihm frei, ob er in der DDR bleiben wollte. Weil in Mosambik inzwischen Bürgerkrieg war, bestand das Land nicht auf Rückführung seiner Arbeitskräfte. Für Pedro war die Sache klar. Er hatte eine Freundin, sein erstes Kind war schon unterwegs. Es gab nichts, was er in Mosambik vorhatte, aber einiges, das ihn inzwischen mit Müllrose verband.

Eigentlich wäre ich lieber Automechaniker geworden.

Müllrose

Müllroser See

Müllrose

Kartenansicht Blick in die Baumkronen des von Pedro Chibule in den 1980er-Jahre gepflanzten Forstes am Müllroser See. (Foto: Andreas Batke)

Erinnerungsfotos von Pedro Chibule

Fotos aus den 1980 er Jahren von Pedro Chibule aus Müllrose

Erinnerungsfotos von Pedro Chibule

Fotos aus den 1980 er Jahren von Pedro Chibule aus Müllrose (Foto: René Arnold)

Zu Hause in der Sargtischlerei

Maria Sibylla Ponizil und Johanna Görke-Cassirer

Marie Sibylla Ponizil & Johanna Görke-Cassirer

Maria Sibylla Ponizil und Johanna Görke-Cassirer

Von Ost nach West und wieder zurück: Marie Sibylla Ponizil (l.) und Johanna Görke-Cassirer (Foto: Andreas Batke)

Zu Hause in der Sargtischlerei

Großzügige Arbeitsräume für eine Künstlerin

Johanna Görke-Cassirer studierte von 1961 bis 1966 in Berlin-Weißensee und konnte sich danach schnell im Kunstbetrieb etablieren. In Woltersdorf bei Berlin fand die Malerin und Grafikerin eine Möbel- und Sargtischlerei, die verkauft werden sollte. Furchtlos übernahm sie das Grundstück, das ihr großzügige Arbeitsräume bot. Ende der 1970er-Jahre lernte Johanna Görke-Cassirer Maria Sibylla Ponizil kennen, die gerade ihr Studium an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst abgeschlossen hatte. 1982 wurde die junge Künstlerin eingeladen, sich an dem Projekt »Prometheus 82« zu beteiligen. Weil sie sich vor allem mit gescheiterten Visionen auseinandersetzten, wurden Mappe und Ausstellungen jedoch sofort eingezogen und untersagt. Maria Sibylla Ponizil hatte anschließend mit Ausstellungsverboten und Zurücksetzungen zu kämpfen. Zur gleichen Zeit geriet ihre Partnerin ins Visier der Staatssicherheit, weil sie Rainer Eppelmanns und Robert Havemanns »Berliner Appell: Frieden schaffen ohne Waffen« an Bekannte weitergegeben hatte. Landesverrat wurde ihr vorgeworfen und man gab ihr zu verstehen, »wenn ich in den Westen gehen wollte, würden sie mir keine Steine in den Weg legen«. Also packten die beiden Künstlerinnen 1984 ihre Sachen und verließen Woltersdorf. Sie landeten in Blomberg bei Detmold, konnten arbeiten, genossen es, quer durch Europa zu reisen. Als sie wenige Jahre nach dem Mauerfall ihre Unterkunft wechseln müssen, stellt sich jedoch die Frage, bleiben oder gehen? »Wir haben in Woltersdorf eine Perspektive für uns gesehen«, sagt Maria Sibylla Ponizil.

Wir haben in Woltersdorf eine Perspektive für uns gesehen.

Woltersdorf

Haus in Woltersdorf

Woltersdorf

Kartenansicht 1984 mussten die Künstlerinnen ihr Haus in Woltersdorf verlassen – nach der Wende kehrten sie zurück. (Foto: Andras Batke)

Woltersdorf

Skizzenblätter der Woltersdorfer Künstlerinnen

Woltersdorf

Kartenansicht Skizzenblätter im Atelier der Woltersdorfer Künstlerinnen Maria Sibylla Ponizil und Johanna Görke-Cassirer (Foto: Andreas Batke)

Schallplatte von Wolf Biermann

Langspielplatte »Wolf Biermann. Warte nicht auf beßre Zeiten«

Schallplatte von Wolf Biermann

Langspielplatte »Wolf Biermann. Warte nicht auf beßre Zeiten« (Foto: René Arnold)

Packdecke

Textil-Packdecke aus der DDR von Maria Sibylla Ponizil (Foto: René Arnold)

Packdecke

Textil-Packdecke aus der DDR von Maria Sibylla Ponizil (Foto: René Arnold)

Von »Freunden« besetzt

Fürstenwalde

ehemalige Schießanlage bei Fürstenwalde

Fürstenwalde

Kartenansicht Überreste einer Schießanlage der sowjetischen Armee bei Fürstenwalde (Foto: Andreas Batke)

Von »Freunden« besetzt

Als die »Russen« vor der Haustür lebten

Bernd Heinze hat sie erlebt: die Russen. Direkt vor seiner Haustür. »Russen« zu sagen war verpönt in der DDR. Zu negativ belastet. Und auch geografisch falsch: Schließlich stammten die siegreichen Soldaten der Roten Armee aus der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken. Nun regierten sie in Berkenbrück. »Die meisten lebten, zumindest in den ersten Jahren nach 1945, in heute noch sichtbaren Senken im Wald, wo sie in ausrangierten Fahrzeugteilen schliefen.« Zu dieser Zeit war Bernd Heinze fünf Jahre alt. Mit einer Nachbarin ist er öfter zu den Russen gegangen, um sich Suppe und Brot zu holen. Denn hinter seinem Wohnhaus standen sie mit Gulaschkanonen. In den zwölf Jahren, in denen die Besatzer in Berkenbrück lebten, waren ganze Straßen im Ort gesperrt. »Nach Fürstenwalde kam man eine Zeitlang nur über die Autobahn oder über Feldwege.« Im März 1957 zog die in Berkenbrück stationierte Einheit nach Wilmersdorf bei Beeskow, ein Teil ins Tanklager im Wald zwischen Fürstenwalde und Berkenbrück. Das 47 Hektar große Areal gehörte zur Garnison Fürstenwalde, das in den Unterlagen der Sowjets als »Militärstädtchen 18« bezeichnet wurde. Aus »Russen« wurden staatlich verordnete »Freunde«. Allerdings: »Wenn die russischen Soldaten zu Fußball- oder Volleyballturnieren zu uns ins Dorf gebracht wurden«, sagt Heinze, »durften sie im Anschluss nicht bleiben und mitfeiern. Es sollten ja keine zwischenmenschlichen Kontakte entstehen.« Anfang der 1990er-Jahre waren die Russen auf einmal »sang- und klanglos weg«, erzählt Heinze. Es habe keine Verabschiedung und später auch keine Kontakte gegeben.

Ich war mit Alexej befreundet.

Storkow

Soldatenfriedhof Storkow

Storkow

Kartenansicht Sowjetischer Soldatenfriedhof in Storkow (Foto: Andreas Batke)

Utensilien eines Sowjetsoldaten

Feldflasche mit Gürteltasche, Kochgeschirr, Koppelschloss aus den 1980er-Jahre (Foto: René Arnold)

Utensilien eines Sowjetsoldaten

Feldflasche mit Gürteltasche, Kochgeschirr, Koppelschloss aus den 1980er-Jahre (Foto: René Arnold)

Schild des Ulanen-Regiments Alexander II. von Russland

Schild mit Signum des Ulanen-Regiments Kaiser Alexander II. von Russland (Foto: René Arnold)

Schild des Ulanen-Regiments Alexander II. von Russland

Schild mit Signum des Ulanen-Regiments Kaiser Alexander II. von Russland (Foto: René Arnold)

Köder

Mormyschka - Köder für das Eisangeln aus den 1970er Jahren (Foto: René Arnold)

Köder

Mormyschka – Köder für das Eisangeln aus den 1970er Jahren (Foto: René Arnold)

Neues Glück an der Spree

Neu Zittauer Heimatstube

Neu Zittauer Heimatstube

Neu Zittauer Heimatstube

Kartenansicht Blick in die Neu Zittauer Heimatstube (Foto: Andreas Batke)

Neues Glück an der Spree

Neugründung im 18. Jahrhundert

Die Dorfkirche von 1763 und einige kleine Kolonistenhäuser bilden den alten Dorfkern von Neu Zittau. In einem dieser Häuschen befindet sich heute die »Heimatstube«. Marlies Zibolsky, Vorsitzende des Heimatvereins, weiß viele Geschichten über den Ort an der Spree zu erzählen. Etwa jene von dem Kriegs- und Domänenrat Johann Friedrich Pfeiffer, der im Auftrag Friedrichs II. im 18. Jahrhundert mehr als 100 Siedlungen gründete, darunter auch Neu Zittau. Friedrich II. trieb zu dieser Zeit die Binnenkolonisierung in dünn besiedelten Landstrichen Preußens voran. Im Umkreis von Berlin sollten zunächst sogenannte Spinnerdörfer entstehen, zur Etablierung der einheimischen Textilwirtschaft. »Daran erinnert der Ortsname Neu Zittau, denn die neuen Siedler sollten aus Zittau in der sächsischen Oberlausitz angeworben werden – einem Zentrum der Weberei«, erklärt Marlies Zibolsky. Der Name Neu Zittau blieb erhalten, auch wenn die Kolonisten aus anderen sächsischen Landesteilen, aus Württemberg und Böhmen herzogen. Jede Familie erhielt eine von 50 Doppelhaushälften, ein Stück Acker- und Gartenland sowie das Recht, eine Kuh, zwei Schweine und Federvieh zu halten. Aber der Plan ging nicht auf. »Der Dorfschulze besorgte beispielsweise schlechte Wolle aus Berlin und das Garn wurde dann nicht abgenommen.« Von 91 Familien, die seit 1752 angesiedelt worden waren, verließen acht mit königlicher Genehmigung rasch wieder den Ort. 30 Familien zogen ohne Erlaubnis davon. Stattdessen brachte das Schiffergewerbe Wohlstand nach Neu Zittau. Mit der Beförderung von Kohle aus Oberschlesien, von Rüdersdorfer Kalkstein, Blei und Zink ließ sich mehr Geld verdienen als mit der Spinnerei.

Das Schiffergewerbe (…) brachte den Wohlstand nach Neu Zittau.

Heimatstube in Neu Zittau

Heimatstube Neu Zittau

Heimatstube in Neu Zittau

Kartenansicht Die Heimatstube ist in einem der ehemaligen Kolonistenhäuser untergebracht. (Foto: Andreas Batke)

Steuerruder

Steuerruder

Steuerruder

Steuerruder Steuerruder für Frachtkahn (Foto: René Arnold)

Schulzenstab

Schulzenstab vor 1850 mit gravierter Inschrift »Gemeinde Streitberg« (Foto: René Arnold)

Schulzenstab

Schulzenstab vor 1850 mit gravierter Inschrift »Gemeinde Streitberg« (Foto: René Arnold)

Ein Waggon voller Erinnerungen

Eugeniusz Niparko

Eugeniusz Niparko

Eugeniusz Niparko

Eugeniusz Niparko hält die Traditionen seiner Heimat von der Ernte bis zum Backen wach. (Foto: Andreas Batke)

Ein Waggon voller Erinnerungen

Als Katholiken zur Ausreise gezwungen

Es ist der 16. Oktober 1945. In Bereza Kartuska, einer Kleinstadt in Polesien östlich von Brest, packt Zofia Niparko ihre Habe auf ein Fuhrwerk, fährt zum Bahnhof im nahen Błudeń und besteigt die bereitstehenden Waggons. Freiwillig geht Zofia Niparko nicht, sie wird zur Ausreise gezwungen. »Als Katholiken waren meine Eltern für die sowjetischen Behörden Polen, sie mussten weg«, erzählt ihr Sohn Eugeniusz Niparko. Etwa 1,7 Millionen Polinnen und Polen wurden zwischen 1944 und 1946 aus den Regionen ausgesiedelt, die an die Sowjetunion gefallen waren. Seit 1945 heißt Bereza Kartuska Bjarosa-Kartusskaja, aus Błudeń wurde Pierszamajskaja. Es ist dasselbe Jahr, in dem auch Balkow seinen Namen wechselt. Auf Polnisch heißt das Dorf bei Ziebingen nun Białków, es gehört zur Gemeinde Cybinka unweit von Słubice. Am 2. November 1945 kommt der Transport aus Błudeń in Cybinka an. Von dort geht es mit dem Fuhrwerk nach Białków, dem Dorf, von dem sie gehört haben, dass alle Deutschen bereits weg sind. Die Strecke, die der Zug zurückgelegt hat, ist rot eingezeichnet auf einer Landkarte im Freilichtmuseum von Białków. Der ganze Stolz von Eugeniusz Niparko aber gilt dort dem Waggon, den er auf ein 50 Meter langes Gleis hat setzen lassen. Ein Originalwaggon aus der Zeit der Transporte. »Ich bin hier in Białków zuhause«, erzählt Niparko. Doch die Erinnerung an das Leben in Polesien soll nicht verblassen. »Die ehemaligen Bewohner von Balkow«, sagt Niparko, »waren schon hier und haben sich das Museum angeschaut. Wir teilen als polnische und deutsche Vertriebene das gleiche Schicksal.«

Das ist hier unsere väterliche Heimat geworden.

Białków

Umzug während des Brotfestes in Białków (Foto: Andreas Batke)

Białków

Kartenansicht Umzug während des Brotfestes in Białków (Foto: Andreas Batke)

Wyschywanka

Wyschywanka ist ein besticktes Hemd und ein fester Bestandteil der ukrainischen Nationaltracht.

Wyschywanka

Wyschywanka ist ein besticktes Hemd und ein fester Bestandteil der ukrainischen Nationaltracht. (Foto: René Arnold)

Bastschuhe

Bastschuhe dienen als Abwehrzauber oder zum Transport des Hausgeistes beim Umzug.

Bastschuhe

Bastschuhe dienen als Abwehrzauber oder zum Transport des Hausgeistes beim Umzug. (Foto: René Arnold)

»Jetzt könnt ihr heim ins Reich«

Frieda Hülsenitz

Frieda Hülsenitz in ihrem Haus in Kuhnshof

Frieda Hülsenitz

Frieda Hülsenitz in ihrem Haus in Kuhnshof (Foto: Andreas Batke)

»Jetzt könnt ihr heim ins Reich«

Erst Flucht, dann Vertreibung

Frieda Hülsenitz ist 1930 als Frieda Richter in Berloge im Kreis Crossen geboren, ein Gebiet, das bis 1945 zu Deutschland gehörte. Jetzt liegt es in Polen. Mit dem Vorrücken der Roten Armee flieht Familie Richter mit ihren fünf Kindern nach Wußwerk in den Spreewald. Als sie im Mai 1945 zurückkehrt, ist der Heimatort jedoch längst von Polen besetzt. Am 23. Juni 1945 werden alle Deutschen aus dem Dorf zur Neiße getrieben. »Jetzt könnt ihr heim ins Reich«, sagt der Soldat an der Grenze zur 15-jährigen Frieda. Irgendwann kommt die Familie in Friedland an. Ein offener Empfang bleibt ihr jedoch verwehrt. Als Flüchtlinge werden sie auch mit Argwohn betrachtet. Sarkow und Glowe bilden mit Kuhnshof die drei Gutshöfe, in denen die gesamte Berloger Dorfgemeinschaft untergebracht wird. Es erfolgt eine Aufteilung enteigneter Ländereien und Felder. Kuhnshof, wo die Richters landen, sieht man dabei als eher schlechte Zuteilung an. Wachsen kann dort nicht viel, das Essen bleibt knapp. »Ich weiß nicht, wie wir überleben konnten.« Die Schwestern Anita und Frieda müssen betteln, um für die kleinere Regina etwas Milch zu ergattern. Die Steckrüben werden bei den Bauern gestohlen. Kuhnshof ist ein Beispiel für die Bevölkerungsverschiebung, die unter Historikern heute als die größte Zwangsumsiedlung der Menschheitsgeschichte beschrieben wird. Die Zahl der vertriebenen und geflüchteten Deutschen aus den deutschen Ostgebieten nach Ende des Zweiten Weltkrieges wird auf zwölf bis 14 Millionen geschätzt.

Ich weiß nicht, wie wir überleben konnten.

Kuhnshof

Helga Döbis, Gisela Pelz und Frieda Hülsenitz vor dem Gutshaus in Kuhnshof

Kuhnshof

Kartenansicht Helga Döbis (v.l.), Gisela Pelz und Frieda Hülsenitz vor dem ehemaligen Gutshaus in Kuhnshof (Foto: Andreas Batke)

Barłogi

Barłogi

Barłogi

Kartenansicht In Barłogi ist Frieda Hülsenitz 1930 geboren, damals hieß es noch Berloge. (Foto: Andreas Batke)

Hochzeitsgesellschaft in Kuhnshof

Hochzeit in Kuhnshof

Hochzeitsgesellschaft in Kuhnshof

Hochzeitsfoto von Helga Döbis vor dem Gutshaus in Kuhnshof

Ärztehaus als Blaupause

Stanley Fuls und Annett Matuschak

Stanley Fuls und Annett Matuschak

Stanley Fuls und Annett Matuschak

Stanley Fuls hat den Praxisneubau angeschoben, Annett Matuschak später übernommen. (Foto: Andreas Batke)

Ärztehaus mit Vorbildcharakter

Landkreis baut ökologisch nachhaltige Doppelpraxis

Der Bau einer ökologisch nachhaltigen Doppelarztpraxis in Friedland ist beschlossene Sache. Und am Gelingen dieses Vorhabens haben Annett Matuschak sowie Stanley Fuls entscheidenden Anteil. Die eine als Leiterin des Amtes für Infrastruktur und Gebäudemanagement, der andere als Ideengeber und ihr Vorgänger in dieser Funktion. Nachdem mehrere Ärzte in den Ruhestand gegangen waren, bröckelt die eigentlich gute medizinische Versorgung für die Region. Die verbliebenen Mediziner sind zudem mit ihrer Raumsituation nur bedingt zufrieden. So kam die Idee auf, dass, vom Landkreis gesteuert, ein zeitgemäßes Haus für Allgemeinmediziner im ländlichen Raum errichtet wird, die dort für eine vergleichsweise günstige Miete einziehen können. Als Architekt erstellte Fuls eine Konzeptstudie für ein Ärztehaus mit zwei Praxen und plant einen schlanken Eingeschosser. Eine bedeutende Rolle als Baumaterial spielt Holz als Verkleidung für die Außenfassade. »Das Haus wird zudem aus verschiedenen, für dieses Projekt gefertigten Modulen bestehen, die aneinander koppelbar sind«, sagt Annett Matuschak. Eine »Null-Energie-Ärztepraxis« könne zwar voraussichtlich nicht verwirklicht werden, »aber das Gebäude wird in jedem Fall der sehr guten Effizienz-Haus Stufe 40 entsprechen«. So sind vier Erdwärme-Sonden vorgesehen, die die Fußbodenheizung über ein Wärmepumpensystem versorgen. Eine hohe Nachhaltigkeit wird zudem durch die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach, die Wärmedämmung aus recyceltem Altpapier und das Verwenden von heimischen Hölzern aus zertifizierter Forstwirtschaft erreicht. »Wir wünschen uns, dass wir mit dieser neuen Art von Haus auch eine Blaupause für andere Neubauten schaffen«, sagt Annett Matuschak.

Wir müssen uns in Zeiten des spürbaren Klimawandels verändern.

Friedland

Friedländer Ärztehaus

Friedland

Kartenansicht Dem jetzigen Friedländer Ärztehaus gegenüber ist ausreichend Platz für die neue Doppelpraxis. (Foto: Andreas Batke)

Von Zöpfen und Schwarten

Richard Tschuschke

Richard Tschuschke

Richard Tschuschke

»Holz muss man anfassen«: Richard Tschuschke ist Geschäftsführer der waldform GmbH in Ragow. (Foto: Andreas Batke)

Von Zöpfen und Schwarten

Der Mann fürs (Bau)Holz

Richard Tschuschke, Geschäftsführer der Waldform GmbH mit 16 Leuten, wirkt bescheiden, fast schüchtern, wenn er erzählt. Dabei könnte er bei seinem Werdegang ganz anders auftrumpfen: Im Landesbetrieb Forst Brandenburg hat er in der Oberförsterei Müllrose Forstwirt gelernt. Mit 19 Jahren macht er sich 2010 selbstständig. Seinen Traum von Unabhängigkeit als Jungunternehmer erfüllt er sich mit einem Sägegatter, einem mobilen Lohnsägewerk. Der Name Tschuschke ist in der Region ein Begriff, denn schon sein Vater fuhr damit von Kunde zu Kunde, um vor Ort Holz zu Bauholz zu schneiden. Tschuschke schafft mit seinen drei Vollerntern heute 70.000 Festmeter im Jahr im Privat- und Landeswald, 700 davon arbeitet seine Mannschaft in Ragow selber auf. Je nach Auftrag werden daraus Bretter, Dachlatten, Bohlen, Kanthölzer, Balken. Die Preise der Holz- und Baumärkte kann er locker unterbieten, die Qualität stimmt. Und wer es wissen möchte, dem sagt er auch, aus welcher Gemarkung das Holz stammt, das in Beeskow, Müllrose oder der Berliner Ecke dann verbaut wird. In Ragow, direkt an der B 87, ist gerade der neue Firmensitz der Waldform GmbH entstanden, ein Eingeschosser mit Satteldach. Gewaltige Rundhölzer tragen den Vorbau, der sich wie ein Laubengang rundum zieht. »Lärche«, sagt Tschuschke. »Das Gebäude soll ja ein wenig dafür stehen, was wir tun.« Büros, ein Sanitärtrakt, Schulungs-, Beratungs- und Aufenthaltsraum. »Der einheimische Baustoff Holz, PEFC- und FSC-zertifiziert; viel mehr geworben müsste dafür noch werden, auch von der Politik.«

Den Baum der Zukunft können wir uns nicht backen.

Ragow

Harvester

Ragow

Kartenansicht Unverzichtbar: die Arbeit mit dem Harvester, einer Holzerntemaschine, die Bäume fällt, entastet, ablängt und die Sortimente am Gassenrand ablegt (Foto: Andreas Batke)

Dielsäge

Dielsäge

Dielsäge

Dielsäge, die zu zweit bedient werden muss, von 1900 (Foto: Bernd Choritz)

Stammpresse

Stammpresse

Stammpresse

Stammpresse der Firma waldform GmbH aus Ragow (Foto: Bernd Choritz)

Bauen mit Herz und Holz

Bauspielplatz Fürstenwalde

Bauspielplatz

Bauspielplatz Fürstenwalde

Kartenansicht Auf dem Bauspielplatz kann jeder seine Ideen einbringen. (Foto: Andreas Batke)

Bauen mit Herz und Holz

Jugendarbeit auf dem Bauspielplatz

Wer das Tor zum Südclub an der Fürstenwalder Bahnhofstraße öffnet, betritt eine andere Welt. Vorbei an bunten Holzhütten und umgebauten Schubkarren mit fröhlichen Pferdeköpfen führt der Weg in eine hohe, halb offene Werkstatt, die mit den Baumkronen zu verschmelzen scheint. Dort gibt es gut sortierte Regale mit Holzstücken in jeder Größe und alle Werkzeuge, die man sich vorstellen kann: Hammer, Säge, Schnitzmesser, Schäleisen, Schraubzwingen. Es ist das Reich von Matthias Bogdan, der diesen Jugendclub-Standort aufgebaut hat und seitdem immer weiter baut – vor allem mit seinem Lieblingsmaterial Holz. Sein Fachgebiet, das ist der Spielplatz- und Spielzeugbau, aber genauso die Sozial- und Projektarbeit mit Kindern und Jugendlichen. »Ich bin ein Fan davon, mit wenig Aufwand und wenig Geld etwas zu machen«, sagt Bogdan. Und das vermittelt er auch den jungen Menschen. Etwa 60 Schülerinnen und Schüler ab acht Jahren kommen regelmäßig nach dem Unterricht in den Club. »Wir haben schnell gemerkt, dass zum Bauen zu wenig Platz ist.« Beim Anblick der Maulbeerbäume auf dem Nachbargrundstück sei ihm schließlich die Idee gekommen, dort einen Bauspielplatz einzurichten, in den die seltenen Bäume integriert werden könnten. Das Konzept ist einfach: Es gibt ein paar feste Objekte, wie die erste Bude und die Werkstatt, alles andere ist stets im Wandel. »Die Ideen zu einem Haus oder Objekt kommen von den Kindern, die Sozialarbeiter helfen dann bei der Grundkonstruktion, damit sie hält und sicher ist. Alles andere machen die Jugendlichen allein, wenn sie Lust dazu haben. Das kann schon mal ein Jahr dauern, bis alles fertig ist.«

Ich bin ein Fan davon, mit wenig Geld etwas zu machen.

Typenbau mit Klasse

Fangschleuse

Fangschleuse

Fangschleuse

Kartenansicht DDR-Siedlungsbau: Eigenheim des Typs EW 71A in Fangschleuse (Mitte) (Foto: Andreas Batke)

Typenbau mit Klasse

Ein Wohnhaus als Bausatz

Schöpfer der EW-Typenhäuser war Willy Stallknecht, der Architekt, der auch den Plattenbau P2 mit der bekannten Durchreiche konzipierte. EW stand für Einfamilienwohnhaus. In der noch recht jungen DDR waren sie als Beitrag gedacht, das Wohnraumproblem zu lösen. Das EW war, so könnte man es beschreiben, als Bausatz zu haben. Die Bauherren erhielten einen Plan und – soweit vorhanden – Baumaterial. Von 1958 an bis zum Ende der DDR wurden verschiedene Typen des EW erdacht – vom EW 58, vollunterkellert mit und ohne Loggia, bis hin zum EW 65 mit seiner Durchreiche. In den 1970er-Jahren litt die ländliche DDR unter drückendem Arbeitskräftemangel. Das Volksgut Lindenberg versuchte daher, junge Fachleute an sich zu binden, indem es ihnen ein Eigenheim in der Ausführung EW 65 BB als Doppelhaus versprach. Jochen Mangelsdorf, 26 Jahre alt, Diplomagraringenieur, verheiratet mit zwei Kindern, zog für das Angebot gern dauerhaft nach Lindenberg. Um den Privatbau verwirklichen zu dürfen, musste er versprechen, dem Volksgut mindestens 15 Jahre lang treu zu bleiben. 75.000 Mark Festpreis kostete ein EW-Bau. 10.000 Mark wurden erlassen – für das Treueversprechen. Eine besondere Herausforderung waren die Beschaffungsaufgaben. Klassisch beschafft wurden Wand- und Bodenfliesen. Aber auch Technik wie Heizungsrohre oder Kessel für die in den Siebzigerjahren beliebten »Schwerkraftheizungen«. Als Jochen Mangelsdorf eine Annonce schaltete: »Suche Heizkessel für Schwerkraftheizung«, antwortete ihm jemand: »Suche ebenfalls einen Heizkessel. Falls es Ihnen gelingt, zwei zu besorgen, biete ich Ihnen im Tausch eine Bohrmaschine an.«

Suche Heizkessel für Schwerkraftheizung

Prospekt für Doppelhaus »EW 65«

Prospekt »Doppelhaus EW 65 B/D«

Prospekt für Doppelhaus »EW 65«

Angebotsprospekt von 1972 für ein »Doppelhaus EW 65 B/D« (Foto: Bernd Choritz)